
Aus dem Projekt
Call for Papers: "Kultur für Alle(s)?! Kulturpraxis in ländlichen Räumen"
Tagung des Instituts für Volkskunde und des Netzwerkes Landesstellen und außeruniversitäre Forschungsinstitutionen in der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft, München, 30. Juni bis 2. Juli 2025.
Den vollständigen Text des Calls und die organisatorischen Angaben können Sie hier herunterladen.
Vorschläge können bis 9. Februar 2025 eingereicht werden an spiritova(at)volkskunde.badw.de.

Interner Workshop KRAP
Vom 20.Januar.2025 bis zum 21.Januar.2025 laden wir unsere Forschungspartner:innen zum Vernetzungsworkshop "Kultur.Wandel.Gestalten - die Landkreise Görlitz und Wunsiedel kommen ins Gespräch" ein.

Hallo Wunsiedel.
Im Fokus steht dabei die Frage nach der dynamisierenden Rolle von „Kultur“ in Transformationsprozessen am Beispiel des Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge in Nordostbayern. Somit gilt es im Forschungsvorhaben die kreativen Praktiken und Strategien der Revitalisierung und Neuerfindung des Landkreises durch verschiedene Kulturakteur*innen empirisch zu untersuchen. Dieser im Osten des Regierungsbezirks Oberfranken in Bayern unweit der tschechischen Grenze liegende Landkreis mit knapp 72.000 Einwohner*innen [gilt als sogenanntes Zonenrangebiet. Es stellt sich die Frage], wie ländlicher Raum, der aufgrund von Deindustrialisierung, Gebietsreform und eben auch Unterfinanzierung nach der Öffnung der deutsch-deutschen und deutsch-tschech(oslowak)ischen Grenze jahrelang durch Abwanderung, Arbeitslosigkeit, Rückzug staatlicher Akteure gekennzeichnet war, auch und vor allem durch das Engagement von Akteur*innen aus Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft langsam wieder an Boden gewinnt.
Nordostbayern befindet sich räumlich – territorial wie in („westlichen“) Diskursen – an der als „vergessen“ und „rückständig“ gedeuteten Peripherie zum östlichen Europa. Die Region erlebt spätestens seit den 1990er Jahren nicht nur einen tiefgreifenden strukturellen Wandel mit Herausforderungen wie Abwanderung, Überalterung, fehlende Mobilitätsangebote und gesundheitliche Versorgung infolge von Fabrikschließungen, sondern auch eine erinnerungskulturelle Vereinnahmung durch rechte und rechtsextreme Bewegungen. Vor allem die Kleinstadt Wunsiedel wird seit Ende der 1980er Jahre von rechten Aufmärschen heimgesucht, denen sich entsprechender Protest entgegenstellt – besonders das jährlich stattfindende Wunsiedler Forum, eine Veranstaltung vom Bayerischen Bündnis für Toleranz und die lokale Initiative Wunsiedel ist bunt strahlen mit einer Reihe von kreativen Angeboten weit über die Landkreisgrenzen hinaus. Kreativität findet sich hier jedoch nicht nur im Kontext erinnerungskultureller Kämpfe um öffentlichen Raum, sondern seit einigen Jahren zunehmend auch in anderen Feldern wie der (Energie-)Wirtschaft, Kultur, Bildung oder Tourismus.
Spiritova, Marketa: KulturRäume – KulturAkteure – KulturPraktiken. Forschungsskizze zur Bedeutung von „Kultur“ für die Dynamisierung von gesellschaftlichen Transformationsprozessen in ländlichen Räumen. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2022, S. 101–110.


Blick über Arzberg (Elisa Stowe 2023).
Geschmückter Brunnen während des Brunnenfests 2023 in Wunsiedel (Elisa Stowe 2023).
Willkommen im Landkreis Görlitz.
Der Landkreis Görlitz in Ostsachsen ist als Grenzregion am Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien der östlichste Landkreis Sachsens und Deutschlands. Als Teil der Oberlausitz blickt er auf eine lange Geschichte mit wechselnden Zugehörigkeiten zurück. Heute besticht er durch ein vielfältiges Kulturangebot, die Kunst- und Filmszene, der Zugehörigkeit zur Euroregion Neiße, seine zahlreichen Wälder und Naturschauplätze sowie die Braunkohle und seine Vergangenheit.
Im Rahmen des Projekts liegt ein Fokus vor allem auf dem derzeitigen sowie vergangenen Wandeln im Landkreis und dem Agieren der Kulturakteur:innen innerhalb dieser. Görlitz ist geprägt von einem ständigen, ergebnisoffenen Wandel (Zusammenbruch der DDR, ihr Wiederbeitritt zur BRD und die noch laufende Transformation der neuen Bundesländer als Folge dieses Beitritts, das Ende des Braunkohleabbaus bis 2038). Noch vor der Wende waren zahlreiche Unternehmen der verarbeitenden Industrie (Nudelprduktion, Glasindustrie, Stahl, Textilien etc.) im Landkreis angesiedelt, heute erinnern vor allem die leerstehenden bzw. teilweise von Kultur:akteur:innen umgenutzten Fabriken an diese. Noch nicht vollständig erholt von der genannten Vielzahl von Wandeln in der Vergangenheit, die (wie es verschiedene Gesprächspartner:innen sagen: „noch bis heute nachwirken und längst nicht überwunden sind“), bestimmt heute vor allem die Braunkohleindustrie die wirtschaftliche, politische sowie soziale Gestaltung des Landkreises. Aktuell wird der Diskurs durch den geplanten Braunkohleausstieg bis 2038 – den Strukturwandel – geprägt.
Die (Mit-)Gestaltung dieses Wandels übernehmen im Landkreis oftmals Kulturakteur:innen auf verschiedenste Weise. So treten soziokulturelle Zentren in Görlitz, Weißwasser oder Zittau als Partner der Gesellschaft auf und unterstützen diese durch verschiedene Angebote, wie Gesprächsrunden, Projekte zur Stärkung der Demokratie, Gartentreffs, Bastelaktionen und vielen mehr. Dabei geht es meist unterschwellig um die Themen Wandel und Mitgestaltung. Neben diesen Zentren sind auch Museen, Einzelpersonen sowie kulturell ausgerichtete Vereine im Landkreis Teil des Wandels und schaffen durch ihre Angebote ebenso Orte der Teilhabe und damit Möglichkeiten die noch offenen Momente im Wandel mit Ideen und Vorstellungen zu füllen (Michelle Orth 2024).

Blick aus dem zittauer Stadtzentrum (Michelle Orth 2023).

Ehemaliges Industriegebäude in Görlitz - heute genutzt vom soziokulturellen Zentrum Rabryka (Michelle Orth 2023).



